Urbanität und Widerstand. ERHARD BUSEK: Mehr als ein Jubiläum
"Kopf des Quartals" Peter Pawlowsky in QUART 3/2011 über Erhard Busek
Man wusste schon bisher, was der Innenpolitik verloren gegangen ist, seit Busek aus dieser ausgeschieden ist; jetzt weiß man es noch besser.

Dieser „Kopf des Quartals“ hätte schon im Frühjahr erscheinen müssen, denn am 25. März feierte Erhard Busek seinen 70. Geburtstag. Aber aktuelle Anlässe, nicht immer die erfreulichsten, häufen sich, die das Profil des Wieners, Österreichers und Europäers Busek vor dem dunklen Hintergrund der Gegenwart besonders hell abzeichnen. Man wusste schon bisher, was der Innenpolitik verloren gegangen ist, seit Busek aus dieser ausgeschieden ist; jetzt weiß man es noch besser.
Busek, einer der wenigen ÖVP-Politiker der Zweiten Republik, der nicht aus dem CV kommt, sondern aus der Katholischen Aktion, engagierte sich in führenden Positionen im Österreichischen Bundesjugendring, im Nationalrat, im ÖVP-Wirtschaftsbund. Er war Generalsekretär und später Obmann der ÖVP, er war Wissenschaftsminister und Vizekanzler. Aber was Erhard Busek zu einem Politiker außergewöhnlicher Art macht, ist aus der Aufzählung seiner Funktionen nicht ablesbar. Es gibt Ideen und Erfolge, die ihm niemand nachgemacht hat.

Schwarz im roten Wien

Angesichts des traurigen Zustandes einer fast nicht mehr existierenden ÖVP in Wien kann man kaum glauben, dass diese Partei einmal 34 Prozent der Stimmen in der Bundeshauptstadt erreicht hatte. Das war das Verdienst Buseks, der von 1976 bis 1987 die Wiener Politik aufmischte. Sein Konzept war Urbanität, und was das bedeutet: In einer Stadt, in der alle Schichten und Mentalitäten auf engstem Raum zusammenleben, darf es keine Berührungsängste geben. Busek beschränkte sich bei der Auswahl seiner Mitarbeiter und seiner Kandidaten nicht auf die übliche Gefolgschaft der Partei. Unter seinen „Bunten Vögeln“ fand man eine Eva Petrik, später Präsidentin der Katholischen Aktion, und den Kunstkritiker und Schriftsteller Jörg Mauthe, der sich zur Freimaurerei bekannte. Diese Spannweite zu überbrücken und ganz verschiedene Persönlichkeiten auf ein gemeinsames Projekt einzuschwören, machte den Erfolg Buseks in Wien aus, und es hat sich niemand gefunden, der in seine Fußstapfen hätte treten können.

 

Eine abgebrochene Reform

Als Wissenschaftsminister und Vizekanzler zwischen 1989 und 1995 war Erhard Busek derjenige, der das Firnbergsche Universitätsgesetz umbaute. Die exzessive Mitbestimmung aller Gruppen an den Universitäten hatte sich als Hemmschuh für eine Verselbstständigung der Hohen Schulen erwiesen. Aber kaum begann die Implementierung der Busekschen Universitätsreform, wurde sie auch schon wieder abgebrochen, weil die nächste Reform, die Ministerin Gehrer forcierte, die Universitäten in eine Art Wirtschaftsbetriebe umwandelte. Heute ist Busek Rektor einer Fachhochschule und Vorsitzender eines Universitätsrates, er hat das Feld seines wissenschaftspolitischen Engagements nicht verlassen. Dazu gehört auch, dass er seit 2000 das Europäische Forum Alpbach leitet. Hunderte Studenten, insbesondere aus den östlichen Nachbarländern, bevölkern alljährlich das Tiroler Bergdorf und bezeugen ein Wissenschaftsverständnis außerhalb aller elfenbeinernen Türme.

 

Die Grenzen im Kopf

Dass Studenten vornehmlich aus dem Osten Europas nach Alpbach eingeladen werden, ergibt sich aus der tiefen Europa-Überzeugung Buseks. Er war einer der ganz wenigen Politiker, für den schon lange vor 1989 der Eisernen Vorhang keine unüberschreitbare Grenze war. Als dann in unseren Nachbarländern der Kommunismus zusammengebrochen war, versäumte Österreich, die alten Bindungen zu Tschechien, zu Ungarn und Slowenien zu reaktivieren. Der Blick der österreichischen Politiker war nach Westen gerichtet, und die Erinnerung an das geeinte Mitteleuropa der Monarchie wollten manche aus ideologischen Gründen nicht aufkommen lassen. Erhard Busek blieb ein Rufer in der Wüste. Immerhin war er von 2002 bis 2008 Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa. Seit 1995 leitet er das „Institut für den Donauraum und Mitteleuropa“ und leistet von da aus seinen Beitrag zum Abbau der Grenzen im Kopf, die den Abbau der politischen Grenzen überlebt haben. „Die Herausforderung besteht heute darin, die politische Geografie Europas der natürlichen anzugleichen. Selbst die Wiener müssen noch lernen, dass Prag eine Stadt im Nordwesten und nicht im Osten ist.“

 

Widerstand und Treue

Erhard Busek ist seiner Herkunft aus der Katholischen Aktion treu geblieben, hat sich stets als Katholik bekannt, aber den kritischen Blick auf die Krankheitssymptome der nachkonziliaren Kirche nicht vermieden. Man weiß von einigen Begegnungen, bei denen Busek den Bischöfen offen die Meinung sagte. Er trat bei der ersten Präsentation der „Laieninitiative“ im Jänner 2009 mit den Initiatoren auf und identifizierte sich auf diese Weise mit dem Programm der innerkirchlichen Kirchenkritiker: Verheiratete Priester sollen ihr Amt wieder aufnehmen, der Pflichtzölibat der Priester ist abzuschaffen, bewährte Frauen und Männer sollen geweiht werden. Eine Kirchenführung, die weder durch hunderttausende Unterschriften, noch durch qualifizierte theologische Memoranden oder den Einspruch von Prominenten zur Vernunft gebracht werden kann, liefert ein Beispiel für das Scheitern, das auch zur Erfahrung eines Politikers gehört.

 

Der Fehler des Erhard Busek

Vor Jahresfrist hat Erhard Busek ein Buch herausgebracht, das im Rückblick fragt, welche Fehler gemacht wurden, die zum problematischen Zustand der österreichischen Politik heute geführt haben. „Was haben wir falsch gemacht?“ lautete der Titel. Er „erweist sich gerade durch diese selbstkritische Frage als Ausnahmepolitiker mit einem österreichischen Schicksal. Wer hierzulande durch Ideen und Intellektualität auffällt, dem wird nur eine kurze Politikerkarriere zugestanden“, schrieb ich damals in einer Rezension (Quart 2/2010) und wiederhole es heute. 1995 musste er den Parteivorsitz an Wolfgang Schüssel abgeben, der fünf Jahre später mit Hilfe der FPÖ Bundeskanzler wurde. Über den Erfolg dieses Experiments gibt es heute berechtigte Zweifel, aber Schüssel würde es nicht einfallen, sich öffentlich zu fragen: Was habe ich falsch gemacht? Busek hingegen, kritischer Katholik im katholischen Österreich, Förderer wissenschaftlicher Präsenz und Erinnerung an Österreichs Verwandtschaft mit dem Osten Europas, hat tatsächlich einen Fehler gemacht: Er hat seine urbane Offenheit nicht versteckt gehalten, er hatte in vielen Fragen Weitblick und erwies sich als der Gescheitere. So eine Haltung verzeiht man in Österreich kaum.

 

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